Freitag, 19. September 2014


DAS ES WÄCHST IST WICHTIG, NICHT WARUM ES WÄCHST!






Emotionen

Interessiert es einen Anleger, warum seine Aktien gestiegen sind, wenn ja, kann er sich diese Frage sachlich und rational erklären? Am Ende des Tages versuchen die Finanzmedien ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben, eindrücklicher Weise finden sie auch immer wieder eine Antwort, ob die jetzt wirklich relevant für den Kursanstieg war ist zweitrangig, sie muss nur gut verpackt sein und überzeugend formuliert werden.

Die einzige richtige und klare Antwort auf diese Frage ist folgende „ Die Aktien sind gestiegen, weil die Nachfrage grösser als das Angebot war“

Auf was schaut oder was interessiert einen Anleger als erstes, wenn er seinen Depotauszug anschaut und welche Fragen stellt er sich? Genau! Auf den Saldo, also auf die Endsumme! Er fragt sich zuallererst, wie viel Geld habe ich? Habe ich weniger oder mehr als beim letzten Mal? Erst danach stellt er sich die Frage, warum habe ich weniger, respektive und hoffentlich, mehr! Aha, ich habe mehr Geld, weil die Aktien gestiegen sind, die Anleihen sind in etwa gleich und das Gold ist etwas zurückgegangen.

Eingelullt und glücklich darüber, das sich nun mehr Geld auf seinem Konto befindet, verfällt der Anleger in emotionale Gedankengänge, diese spielen sich unbewusst ab. Das „Belohnungssystem“ des Gehirns, sprich der Nucleus accumbens, wird durch diese Gedanken angeregt. Diese Stelle im Gehirn (mesolimbischen System) ist verantwortlich für die Entstehung einer Sucht. Rein wissenschaftlich betrachtet sind dafür, Endorphine, Oxytocin sowie die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin zuständig. Wie beim Verzehr von Süssigkeiten, beim Sport, beim Lachen oder beim Sex werden diese Botenstoffe beim betrachten des gestiegenen Depots vermehrt freigesetzt.

Diesen emotionalen Gefühlen kann sich kein Anleger entziehen, denn wie erwähnt, sie spielen sich unbewusst ab. Genau sowenig wie er willentlich Einfluss auf seinen Herzschlag, auf die Blutzirkulation oder auf die Verdauung nehmen kann, genauso wenig hat er willentlich Einfluss auf die vermehrte Botenstoff Freisetzung. Dies zu Wissen ist für einen Anleger von entscheidender Wichtigkeit.

Lange Rede kurzer Sinn, was ich damit ausdrücken will, wir sind nicht Herr im eigen Haus (Sigmund Freud (1856 - 1939) und schon gar nicht Herr über das eigene Depot. Das heisst, wir können die besten und sichersten Assets im Depot haben, schon Morgen kann die Masse der Anleger diese vermeintlich sicheren Assets, im Preis runter und rauf treiben.

Folge dessen erachte ich es als einseitig ja sogar gefährlich, seine Anlagephilosophie und Strategie rein auf rationalen und analytischen Gedankengut aufzubauen. Ziel muss es sein, Herr im eigenem Haus und ebenso Herr über das eigene Depot zu werden. Damit du das wirst, musst doch noch mehr über die Psyche des Menschen erfahren.


                     


Angriff oder Flucht

Die Finanzmedien sowie die natürliche Veranlagung der Anleger, machen dem Investor das Leben respektive das investieren auch (unnötig) schwer. Da sich negative Meldungen besser verkaufen als positive wird von den Medien immer das halb leere Glas verkauft. Durch diese ständige negative Berieselung entstehen Ängste in den Köpfen der Anleger. Die daraus logische konsequente Veranlagung, welche sich sinnvollerweise genetisch verankert hat, rät dann den Gefahrenbereich zu verlassen um ein sichereres Territorium aufzusuchen, wo Rauch ist, ist auch Feuer, wird fälschlicher Weise suggeriert.

Was dem Homo erectus sein Überleben gesichert hat, nämlich wenn die Späher zur Vorsicht oder gar zur Flucht rieten, da sich ein Säbelzahntiger oder ein wildgewordenes Mamut an der Wasserstelle befände, sodass es sicherer wäre eine andere Wasserstelle aufzusuchen, ist für den Homo oeconomicus meist die falsche Entscheidung, um das „finanzielle“ Überleben oder den Erfolg am Markt zu gewährleisten.

Das Produkt der Angst ist die Flucht oder der Angriff, diese Geschwister Gene sind fest in uns verankert, sie sind in unserer heutigen modernen Welt nur noch bedingt sinnvoll, keinen Falls aber beim Investieren in Aktien. Rational gesehen wissen dies wohl die meisten Anleger, sobald jedoch die Märkte crashen, um die Kurse in unendliche Tiefe zu reissen, ist es mit der Rationalität vorbei und das Fluchtgen macht sich bemerkbar, alsbald läuft im Körper der gleiche Mechanismus wie vor Jahrtausenden ab, sodass das grosse Kurssterben seinen Höhepunkt erreicht.

Im Grunde genommen sind die meisten Investoren in der Tiefe ihres Herzens Sparer und keine Investoren. Das Ziel eines „Sparers“ ist soviel Geld zu besitzen, um sich finanziell sicher zu fühlen, dieses Ziel wird durch jeden Kursrückgang gefährdet. Geld vermittelt dem Sparer Stabilität, Schutz und Erfolg. Durch nicht vorher berechenbare Aktieninvestments, sein Ziel aufs Spiel zu setzen, widerstrebt dem Sparer, deswegen wird er beim ersten, grösseren Kursverlust nervös und am Ende schwach, er verkauft in Unzeiten (bei tiefen Kursen).

Ich bin der Überzeugung dieses Wissen alleine schützt uns nicht vor emotionalen Entscheidungen beim Investieren, aber unsere Hemmschwelle vor Kurzschlussreaktionen wird erhöht, sodass die Ratio auch noch ein Wort mit zu reden hat, bevor die Emotion die ganze Strategie über den Haufen wirft. Das letzte und entscheidende Argument der Emotion ist immer das Gleiche „Dieses Mal ist alles anders“ erst im Nachhinein stellt sich dann heraus, dass es eben nicht anders war, sondern nur in einer anderen Verkleidung aufgetreten ist.

Merke dir: An der Börse ist es eine Illusion zu glauben man könne sich vor jeglichen Verlusten schützen. Verlieren gehört, so wie das Gewinnen, zum Investieren dazu, wichtig ist der langfristige Gewinn und dieser wird auf Verluste aufgebaut, ohne Verlust gäbe es langfristig keinen Gewinn. Denn keiner würde mehr Aktien verkaufen, ergo gebe es keine Aktienkäufer. Die Börse kann über Schlimmes lachen und über Gutes weinen oder umgekehrt. Die Börse selbst ist die Summe aller irrationalen Emotionen ihrer Teilnehmer.




       Der Mensch ist ein Herdentier

Nicht einsam, sondern gemeinsam, denn gemeinsam sind wir stark, einer für Alle, alle für Einen! Was früher die Chance zum Überleben sicherte ist immer noch in unser Genetik verankert. Der "moderne" Mensch, lebt in der Stadt, denn dort ist die Aussicht auf Erfolg und Anerkennung am grössten. Natürlich gehen wir uns gegenseitig auf den Senkel, die wenigsten sind glücklich über Staus und Menschenansammlungen, doch wer dabei sein will, der nimmt das in Kauf.

Rush Hour hin oder her, die Herde kennt den Weg, selbst, wenn einem bildlich gesehen bewusst wird, in der Herde rennt ein Arsch dem andern nach, fühlen wir uns in ihr dennoch sicher aufgehoben und bestätigt, denn, wenn alle diesen Weg gehen, dann kann er so falsch nicht sein. Es ist sozial nicht kompetent, keine Bereitschaft zur Kooperation mit der Herde einzugehen, wer keine Empathie der Herde entgegenbringt, wird schnell zum Aussenseiter abgestempelt.

Anpassung in der Herde, kann in der Stadt karrierefördernd sein, an der Börse bedeutet ein soziales "Miteinander" das vorzeitige Karriereende. Die Anleger neigen auch an der Börse der Herde zu folgen, dass heisst sie kaufen dann, wenn alle kaufen, richtig gehend euphorisch werden die Aktienkurse nach oben getrieben, solange bis die ganze Herde mit Aktien eingedeckt ist. Es passiert was passieren muss, keiner ist bereit noch höhere Preise für die Aktien zu bezahlen.

Folge dessen, müssen tiefere Kurse akzeptiert werden, wenn man seine Aktien verkaufen will, sobald die Herde merkt, dass ihre Aktien nun billiger geworden sind, wollen sie schnell noch ihre Aktien für einen akzeptablen Preis loswerden, da aber niemand aus der Herde diesen bezahlen will, stürzen die Preise ins Bodenlose. Die Zeit der Börsenwölfe beginnt, sie treiben die Börsenschafe in ihre Ställe zurück indem sie ihnen ihre Aktien zu einem lächerlichen Preis ausreissen. Natürlich sagen sich die Börsenschafe daraufhin, nie mehr kaufe ich Aktien, aber sie können das grasen nicht lassen, es liegt in ihrer Natur.

Also merke dir: Es ist nicht von Relevanz, warum deine Aktien gestiegen sind, ausschlaggebend ist, dass sie gestiegen sind.

Dazu ein interessanter Auszug aus einem Vortrag von Herrn Andreas Ullmann Bankbetriebswirt und Dozent an verschiedenen Akademien und Hochschulen zum Thema systematische Geldanlage.


Der bewegte Mensch

Wir glauben meist Entscheidungen in Gelddingen (oder in anderen Lebensbereichen) mit unserem rationalen Verstand zu treffen. Doch die Wahrheit dürfte für viele von Ihnen schockierend sein. Tatsächlich nimmt unser Gehirn täglich so viele Informationen auf, dass das Verarbeiten dieser Daten mit dem Bewusstsein viel zu lange dauern würde. Komplexe Handlungen wie Auto zu fahren oder Tennis zu spielen würde völlig unmöglich werden. Um zu verstehen von welchen Datenmengen wir hier reden, ein Beispiel:

Ein mp3-Player liefert 128.000 Bit/s an Daten. Ein DSL Anschluss satte 6.000.000 Bit/s und ein HD-TV Fernseher sogar 24.000.000 Bit/s. Unser Bewusstsein, dass was wir als Ratio bezeichnen, kann aber nur mickrige 60 Bit/s verarbeiten! Man könnte auch sagen, wir leben in einer digitalen Welt, denken aber immer noch analog. Aber keine Angst, es gibt Hoffnung! Unser Unterbewusstsein schafft immerhin erträgliche 12.000.000 Bit/s. Damit dürfte auch klar sein, wie viel wir wirklich bewusst entscheiden.

Der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann hat herausgefunden, dass Menschen täglich ca. 40. Mio Entscheidungen unbewusst treffen und nur ca. 11 – in Worten elf – Entscheidungen bewusst. Das sind 0,0000275% (!) Anteil bewusster Entscheidungen. Die Natur hat mit dem menschlichen Gehirn ein unglaublich effektives System erschaffen. Information die unsere Sinnesorgane wahrnehmen werden zuerst sortiert, nach Relevanz gefiltert und vom Unterbewusstsein nach festen Regeln „abgearbeitet“. Das Gehirn verfügt über 100 Milliarden (!) Nervenzellen, von denen jede mit mindestens 1.000 anderen Zellen verbunden ist. Dadurch entstehen rund 100 Billionen (!) Synapsen und alle Informationen können in maximal 4 Schritten jede dieser Synapsen erreichen. Würden Sie die Nervenbahnen unseres Gehirns aufwickeln, ergäbe sich ein Strang mit einer Länge von 5,8 Millionen Kilometern. Das ist der 145-fache Umfang unserer Erde. Dabei ist unser Gehirn effizienter als jeder Hochleistungscomputer.

Wir orientieren uns stark an unserer Herde. Auch beim Thema Geld. Wie stark zeigt ein Experiment aus der Anlegerpsychologie „Behavioral Finance“.

Eine Gruppe Angestellter wurde befragt, wie sehr sie sich auf einer Skala von 1-10 freuen würden (wobei 10 Euphorie ist), wenn Sie morgen von ihrem Chef 500€ monatlich mehr Gehalt bekommen würden. Die meisten der Probanden gaben einen Wert zwischen 7 und 9 an. Jetzt sollten Sie sich vorstellen, dass ein Kollege den sie nicht leiden können, weil er sehr faul und intrigant ist, am gleichen Tag 1.000€ Gehaltserhöhung bekommen hat. Was glauben Sie, wie hoch wurde die empfundene Freude jetzt noch bewertet? Deutlich niedriger.. es wurden nur noch Werte zwischen 0 und 4 angegeben.

„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“ Dalei Lama

Dieser Effekt ist einer der Hauptgründe für Blasen an den Börsen. Denken Sie kurz zurück an die Zeit des Neuen Marktes. Praktisch jede Hausfrau, jeder Taxifahrer und natürlich auch Ihre Kollegen haben plötzlich über Aktien gesprochen, von deren Geschäftsfeld sie vorher nie etwas gehört hatten. Gebührenpflichtige Börsenhotlines schossen wie Pilze aus dem Boden und die sogenannten „Fachzeitschriften“ waren gespickt mit „heißen Tipps“ um schnell reich zu werden. Wenn um Sie herum alle davon erzählen, wie viel Geld sie (gefühlt risikolos) in kürzester Zeit am Neuen Markt verdient haben und Sie (auch gefühlt) der Einzige sind, der noch nicht investiert ist, was denken Sie dann wohl? Genau.. Ich will auch!

Es kam wie es kommen musste. Sobald auch der letzte Privatanleger am Neuen Markt gekauft hatte, gab es keinen mehr, der noch kaufen konnte und dann.. fielen die Kurse. Wenn man die Emotionen der Anleger in diesen Phasen der Euphorie oder Panik beobachtet, gewinnt man fast den Eindruck, Angst und Gier sind eine „ansteckende Krankheit“ die plötzlich alle erfasst und wie ein Virus am Markt um sich greift. Aber wie überträgt sich dieser „Virus“ eigentlich?

Was machen Eltern wenn sie ihr Kind füttern wollen? Richtig! Sie öffnen selbst intuitiv den Mund dabei und das Kind macht es nach. Es lernt durch Beobachtung, ein Leben lang, auch als Erwachsener. Mit etwa 3 Jahren kann das Baby dann auch etwas beobachten, ohne es direkt nachzumachen. Wenn eine Bewegung schon abgespeichert ist, feuern die Spiegelneuronen zwar noch, aber leiten keine motorischen Signale weiter. Sie simulieren den wahrgenommenen Prozess also nur noch..

Spiegelnervenzellen simulieren aber nicht nur den rein physischen Vorgang im Gehirn, sondern versetzen uns auch in die Gefühlslage des Anderen. Jeder der sich schon einmal in den Finger geschnitten hat weiß, dass wie schmerzhaft das ist. Was tun wir also automatisch, wenn wir jemand sehen, der sich gerade in den Finger schneidet? Genau.. Wir verziehen das Gesicht, als wenn wir die selbst die Schmerzen spüren würden.

Haben Sie sich noch nie gefragt, weshalb Sie automatisch gähnen müssen, wenn Sie jemand anderen gähnen sehen? Nicht Ihr Schlafmangel, sondern Ihre Spiegelneuronen sind schuld daran! Ihr Unterbewusstsein versetzt Sie selbst in die Lage Ihres müden Gegenübers. Spiegelneuronen helfen uns aber nicht nur bei der Kommunikation mit Menschen. Sie helfen unserem Gehirn auch, Prognosen zu treffen, was die Menschen um uns herum als nächstes tun werden. Dabei werden die Körpersignale (Bewegung, Gestik) mit bekannten Mustern im Unterbewusstsein verglichen und eine Wahrscheinlichkeit berechnet, was als nächstes passiert. Ohne diese Funktion könnten wir nicht mal durch eine Menschenmenge am Bahnhof laufen oder eine befahrene Skipiste hinunter brausen ohne ständig mit anderen Menschen zu kollidieren.

Dieses Phänomen hat weitreichende Konsequenzen, denn wir nehmen die Informationen die unser Gehirn aufnimmt und deren Auswirkung auf uns selbst zum Großteil nicht bewusst war. Das Unterbewusstsein verarbeitet diese Sinneswahrnehmungen in Bruchteilen von Sekunden, die Spiegelneuronen färben die Informationen emotional ein und sorgen für die entsprechende physische oder psychische Reaktion. Ob Sie nun wollen oder nicht.

“ Es ist nicht der Geist, sondern die Dummheit, was sich in den Massen akkumuliert.“ Gustav Le Bon

Sein Werk ist nach wie vor gültig und gehört zur Pflichtlektüre von Psychologen und… wie könnte es anders sein, Politikern. Wie mächtig und teilweise gefährlich Massenpsychologie sein kann, zeigt die Vergangenheit. Das Buch von Gustav Le Bon leistete nicht nur Siegmund Freud gute Dienste, sondern war auch Grundlage für die Reden des Diktators Adolf Hitler und seines Propagandaministers Joseph Goebbels. Was folgte ist traurige Geschichte. Massenphänomene dieser Art finden sich (sicher mit weniger tragischen Folgen) auch an der Börse. Angst und Gier sind starke Emotionen, die von Anleger zu Anleger weiter gegeben werden, um dann in Euphorie und Panik zu gipfeln, was meist das Ende einer Blase oder Krise einläutet.

Auszug aus der bewegte Mensch von Herrn Andreas Ullmann