Montag, 15. Juni 2015

WERTFREI HEISST NICHT WERTLOS
 
 

Hallo John,

Ich sage es gerade heraus, ich bin unzufrieden und das ist das nette Wort für hoffnungslos, frustriert und unsicher, obwohl ich keinen konkreten Grund habe, ausser dass mir alles zu langsam geht. Okay, die Börse macht mir wieder mal zu schaffen, noch vor wenigen Tagen war ich so schön im Plus und nun ist die Hälfte des Gewinns wieder weg.

Was denkst du, geht es mit den Kursen noch weiter runter, muss Griechenland Insolvenz anmelden, wenn ja, was passiert dann mit den Aktienkursen? Echt jetzt, diese Ungewissheit zehrt an meinen Nerven, ich komme mir so handlungsunfähig vor, wenn du nicht wärst, würde ich einen Teil meiner Aktien verkaufen, einfach nur aus dem Grund, um etwas zu machen, so dass ich wieder handlungsfähig bin.

Verstehst du was ich meine?

Absolut mein junger Freund, zunächst mal vorweg, du hast Zeit, du bist gerade mal 22 Jahre. Überlass das Sorgen machen, den Politikern, den Banken und den anderen Investoren, die können das viel professioneller als du. Ob Griechenland pleite geht oder nicht sollte dir gleichgültig sein, denn du hast keinen Einfluss darauf. Ich sage dir aber, das ganze Geschrei um Griechenland ist viel heisse Luft um nichts, mit nichts meine ich den Einfluss, welchen Griechenland auf das weltweite BIP (Bruttoinlandsprodukt) hat, soviel ich weiss, sind es gerade mal zwischen 0.2% und 0.5%.

Das ganze "Griechenlanddrama" spielt sich in den Köpfen der Anleger ab, sie malen sich die grössten Horrorszenarien aus, das macht sie unsicher und in dieser Unsicherheit, verkaufen sie ihre Aktien. Ich sage wunderbar, nichts besseres kann uns in dieser Börsenphase passieren, es gibt wieder günstige Aktienpreise zum nachkaufen, ein Grund zum Jubeln und nicht zum trauern.

Aber mein ganzes Gerede hilft dir momentan nichts, lass uns ein wenig tiefer gehen!

Die Nöte und Launen eines Aktienanlegers
 
Und wie du dich davor schützen kannst.

In "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" legte Thomas Mann, seinem Felix Krull, folgenden Satz in den Mund:

"Eine der hoffnungsreichsten Lebenslagen ist die, wenn es uns so schlecht geht, dass es uns nicht mehr schlechter gehen kann."
 
Das ist wahr, denn dann versagt der Verstand, sodass wir aufhören über das Problem nachzudenken, dann überlassen wir es dem Leben eine Lösung zu finden, sobald wir erschöpft im Rinnsal unseres ausgetrockneten Gedankenstroms liegen, reicht uns das vertraute Unbekannte in uns, die Hand, hilft uns auf und lässt uns ziehen, selbst wenn das Problem noch nicht gelöst wurde, nimmt es nicht mehr den gleichen Stellenwert in unserem Leben ein.
 
Weisst du von was ich hier schreibe?
 
Ich glaube es zu spüren aber noch nicht zu wissen, respektive fühle ich einen Bezug zu deinen Sätzen, doch bitte sprich weiter, ich bin schon sehr gespannt, was da nun kommt.
 
Nun, ganz so schlecht geht es dir zum Glück noch nicht, sonst wüsstet du was ich meine, während dem du es spürst. Was du aber sicher kennst und auch schon erlebt hast, wenn du auf der Suche nach einen Namen bist, welcher dir plötzlich entfallen ist, kommt er dir dann in den Sinn, sobald du nicht mehr an ihn denkst. So manche Lösung findet sich unter der Dusche, wenn du nicht mehr nach der Lösung suchst. 
 
Ja, das kenne ich.
 
Es gibt also eine "Kraft" in uns, die uns dann zu Seite steht, wenn wir mit unserem Verstand nicht mehr weiter kommen. Diese Kraft lässt sich, meiner Meinung nach, nicht mit unseren Gedanken aktivieren, je mehr wir uns ihrer aber bewusst werden, ihr vielleicht sogar vertrauen, umso tatkräftiger steht sie uns zu Seite. Wie wir diese Kraft nennen, sollte uns selbst überlassen sein, ob Hoffnung, Intuition, Unterbewusstsein, Instinkt, Gott oder wie auch immer, dies spielt, wiederum meiner Meinung nach, keine Rolle, genauso wenig, ob du daran glaubst oder nicht, für die "Kraft" selbst, dürfte dies gleichgültig sein.  
 
Sie wirkt, gleich wie dein Herzschlag, auch ihm ist es gleichgültig, ob du an ihn glaubst oder nicht, er verrichtet seine Arbeit, selbst, wenn du nicht an ihn denkst.
 
Was ich damit ausdrücken möchte, wenn es uns so richtig schlecht geht, wir vor dem Trümmerhaufen unseres Lebens stehen, oder unseres Aktiendepots, dann können wir versuchen, unseren Kummer, unsere Sorgen, unsere Ängste loszulassen, sie nicht zu werten, sondern sie als momentanen Zustand zu akzeptieren, um sie neutral, also "wertfrei", an die "Kraft" weiterzuleiten.
 
Sie wird sich dann, dem Zustand annehmen. Was es dazu braucht ist Vertrauen, vertrauen zu einer "Kraft", die unserem Verstand nicht zugänglich ist und welche von unserem Ego, hin und wieder, in Frage gestellt wird.
 
 
Bekenntnisse des Aktieninvestors John Doe 
 
„Nicht anpassungsfähig, egoistisch, absolut talentlos, sowie frei von jeglicher Begabung. Narzisstisch aber auch hedonistisch veranlagt, hin und wieder arrogant, mit einem Hang zum Grössenwahn, deswegen nicht sehr beliebt bei seinen Mitmenschen. Im Grunde seines Herzen eher bequem mit zunehmender Tendenz zur Faulheit" 
 
Diese Charaktereigenschaften machen mich zum perfekten Aktieninvestor, denn ich versuche erst gar nicht auf die Börse zu reagieren, das kann ich nämlich nicht, dessen bin ich mir bewusst. Ich habe kein Talent zum traden, meine Arroganz mit Hang zum Grössenwahn, verachtet alle Trader, ausserdem bin ich viel zu faul um mich der Hektik, des schnellen Handels, auszuliefern.
 
Im Gegensatz zu dir fühle ich mich deswegen aber nicht handlungsunfähig, sondern im Gegenteil, ich bin mit meiner langfristigen Aktienstrategie, voll handlungsfähig. Ich lasse andere für mich arbeiten, sie sollen meine Unternehmen zum Erfolg führen, die können das viel besser als ich, das haben sie seit über hundert Jahren bewiesen.
 
Wenn die Diva (Börse) mal wieder schlecht gelaunt ist oder gar einen ihrer berüchtigten Wutausbrüche (Kurssturz) bekommt, mahnt mich meine innere "Kraft", stets zur Ruhe. Sei dir bewusst, in der momentanen Börsenlage ist jeder Kurssturz, welcher sich im vernünftigen Rahmen hält, damit meine ich zwischen 10% und 20%, nicht nur willkommen, sondern erwünscht, denn umso länger geht es mit der Börsenhausse weiter.
 
Was diesen Bullenmarkt im Moment stoppen könnte, wäre ein negatives, überraschendes Ereignis, welches auf die Weltwirtschaft, sowie auf die Psyche der Anleger, eine nachhaltige Relevanz beinhaltet. Griechenland gehört da definitiv nicht dazu. 
 
Die meisten Aktieninvestoren machen sich Sorgen über Dinge, die nie eintreffen. Sie hören, lesen oder sehen eine Meldung, bevor sie diese auf Relevanz prüfen, reagieren sie darauf. Sie bewerten, respektive handeln vorschnell, um danach festzustellen, sie haben sich, wieder einmal, geirrt.
 
 
 
Also, lass dich nicht ins Bockshorn jagen, werte diesen Aktienrückgang nicht als Ende deiner Geldträume, sondern siehe in ihm, eine wertvolle Erfahrung, die du gerade machen darfst.
 
Okay, das hat mir jetzt echt geholfen, vielen Dank.
 
No need to thank me for that, because you're more than welcome!